Henrike Naumann: „Aesthetics of Power“

Donnerstag, 14.1.2021 – Sonntag, 31.1.2021

Die 2017 mit einer Handkamera aufgenommenen Bilder sind verwackelt und wirken gelegentlich etwas hektisch. Sie zeigen den Gang durch eine scheinbar unstrukturierte Ansammlung unterschiedlicher Möbel und Haushaltsgeräte, die sich in einem Innenraum befindet. Es sind unter anderem Schränke, Regale, Kommoden, Sessel, Spiegel und Fernseher auszumachen. Mit ihren stilistischen Eigenarten verweisen die einzelnen Gegenstände auf den Einrichtungsstil der 1990er-Jahre.

Der Ort, an dem die Bewegtbilder aufgenommen wurden, ist historisch besetzt: Es handelt sich um das ehemalige Berliner Kronprinzenpalais der Hohenzollern, in dem von 1919 bis 1937 die Neue Abteilung der Nationalgalerie mit der Sammlung Moderner Kunst ihren Stammsitz hatte. Infolge der kriegsbedingten Zerstörung wurde das Kronprinzenpalais zwischen 1968 und 1970 von Richard Paulick als Magistratsgästehaus der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik wiederaufgebaut und diente 1990 als Unterzeichnungsort des Einigungsvertrags.

Der Film ist mit Tonaufnahmen unterlegt, die ein geschichtsträchtiges Ereignis der jüngsten Vergangenheit dokumentieren: Den Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021. Zu hören sind drei Moderator *innen, die vor dem Hintergrund der gewalttätigen Geräuschkulisse die Geschehnisse kommentieren. Immer wieder ertönen Rufe, die die Gesinnung des Mobs verdeutlichen.

Die beängstigenden Klänge scheinen mit einer Sequenz der Kameraführung in Beziehung zu stehen. So ist zwischen den Möbeln ein Helm mit Hörnern sichtbar, der unweigerlich an die eigentümliche und in den Medien vielfach wiedergegebene Kopfbedeckung jenes radikalen Anhängers von Donald Trump denken lässt, der im Sitz des US-amerikanischen Kongresses lautstark randalierte. – Zwischen den verschiedenen Orten, Zeiten und Realitäten ist das Grauen plötzlich ganz nah, sodass die Angreifbarkeit und Verwundbarkeit unserer demokratischen Wertevorstellungen offenkundig wird.

Henrike Naumann, 1984 in Zwickau geboren, befasst sich in ihrer künstlerischen Praxis mit der Konsumkultur, der Medienwelt, dem gesellschaftlichen Leben sowie politischen, insbesondere rechten Bewegungen. Ihre Arbeit wurde im Rahmen von Einzelausstellungen unter anderem im Belvedere 21 in Wien (2019), im Museum der Bildenden Künste in Leipzig (2019) und im Museum Abteiberg in Mönchengladbach (2018) gewürdigt.